Ravenclaw Rabenpost Ausgabe
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"…. und siehe, der Herr wird eine Plage auf die Erde senden und die Plage wird wandeln unter den Gerechten…" Buch Asklepios, Kap. 16, 23


Die Invasion


Hogwarts. Unerklärliche Vorgänge in der Hogwartsschule für Hexerei und Zauberei sorgten vor ein paar Tagen nicht nur unter den Lehrern und Schülern für Unruhe, es kam sogar soweit, daß das Ministerium und das St.-Mungo-Hospital eingeschaltet werden mußten. Ausgerechnet in Ravenclaw, dem Schulhaus, das sich ganz im Sinne seiner Gründerin traditionell der Vernunft verschrieben hat, fielen Schüler reihenweise einer seltsamen Geisteskrankheit zum Opfer, über deren Ursache immer noch Unklarheit herrscht.

Das aus der Physik bekannte Prinzip der kommunizierenden Röhren erleben geplagte Schulmeister in abgewandelter Form ja im Unterricht als Prinzip der kommunizierenden Gören oder, in seiner etwas lebhafteren Variante, auch schon mal als kommunizierendes Röhren, zum Mindesten, wenn Jungs die Klasse bevölkern. Was jedoch in Ravenclaw von einer der Schülerinnen bewußt oder unbewußt ausgelöst wurde, ging zur Besorgnis der Hauslehrer weit über das gewohnte Maß jugendlichen Gruppenverhaltens hinaus.

Alles fing damit an, daß Ende Juni, mitten während des Schulbetriebes, Schülerin Enna von einer plötzlichen Gemütsstarre erfaßt wurde. Das ist an sich nichts Ungewöhnliches unter Heranwachsenden, die sich ja dauernd aus der Realität ausklinken, sei es, weil sie mal wieder irgend jemand besinnungslos anlieben, sei es, weil Badezimmerwaagen ihren Benutzern gegenüber so unbestechlich wie gefühllos sind oder nur deswegen, weil die Ingredienzien der am Vorabend zusammengeköchelten und im Gemeinschaftsraum in geselliger Runde verkosteten Zaubertränke aus der Nocturngasse stammten.
Enna gilt, wie Sie wissen müssen, als der bunte Pingu Ravenclaws aufgrund ihrer angeborenen Fähigkeit, ihren Seelenzuständen durch entsprechendes Outfit Ausdruck verleihen zu können. Was sie, weswegen ihr auch Mitschüler im Allgemeinen ein ebenso sonniges wie abgedrehtes Gemüt nachsagen, allerdings meist in seltsamen wie situativ unpassenden Erscheinungen wie stocksteifen Frackträgern, gefiederten Indianerpingus auf Kriegspfad oder platschfüßigen Eisschollenrambos auslebt.

An jenem Unterrichtstag im Juni, als Enna aus unerfindlichen Gründen eine bisher unerreichte visuelle Darreichungsform annahm und sich der Euphemismus ‚Großer Pingu' endgültig zur Antiphrase wandelte, löste sie damit unter den Schülern ein Kettenreaktion aus.

Anoel, ohnehin schon verdreht, stürmte mit einem Mal als löwenmähniger Pingu auf Löwenjagd durch den Gemeinschaftsraum, während Odette sich zu den schwarzen zusätzliche weiße Flügel auf den Rücken zauberte. Was wiederum RLupin stimulierte, der sich, farblich passend zur sportlichen Jahreszeit, flugs zum schwarz-weißen Nationalpingu verballackte.

Melinda, zu dem Zeitpunkt schnoddergeplagt ohnehin konstitutionell auf absteigendem Ast, erwischte es als Nächste, gab kleidungstechnisch vollends den Löffel ab und wandelte hinfort als pharaonisch gestylte Gruftmumie durch den Turm.


Besonders schwer, wie aus den späteren Untersuchungen hervorging, verfiel Olivia Olivander dem Pingu-Wahn. Gehüllt in eine Aura knisternder Eisblitze, sprach sie von Enna ehrfurchtsvoll nur noch als von ‚der Meisterin', ihrem Idol, dem sie alles verdanke. Mitschüler nutzten während ihrer mitreißenden Schwarmpredigten Olivia klammheimlich gerne als sprechende Mikrowelle, um die von den Elfen pausenlos aus dem Eiskeller angelieferte maritime Rohkost zu temperieren.

Es fehlte im Turm zwar nicht an standhaften Schülern wie Sasyan, Resi oder Schnubberl, die sich dem grassierenden Fieber erfolgreich widersetzten, doch wer wollte zu dem Zeitpunkt noch einen Knut auf eine Zukunft Ravenclaws in Rabengestalt geben, wenn selbst gesetzten und bodenständigen Schülerinnen wie Morwena (*ich bleib bei meinem Hundchen*) die guten Vorsätze schwanden und sie mit flatternden Flügel ins Lager der Breitfüße überliefen.

Tweety, ein weiterer besorgniserregender Fall schwerer Pinguitis. Die Heiler aus St.-Mungo brachten ihre ausgeprägte geistige Abhängigkeit mit der athletischen Lebensweise der Schülerin in Zusammenhang. Womöglich, so später einer der Fachleute, hatte bei Tweety ihr übermäßiges Training der Muskulatur wahrscheinlich zu einer durch fehlende geistige Stimulanz bedingten Atrophie cranialer Körperregionen geführt, so daß sie dem Enna'schen Pingufieber zu wenig Widerstandskraft entgegenzusetzen hatte.

Die nächsten Opfer waren JordanCalaim, bei der man berücksichtigen muß, daß sie wegen ihrer angeborenen Fehlsichtigkeit die umherirrenden Pingus womöglich für eine neue Zaubererumhangmode gehalten und sich nur aus ästhetischen Gründen der Bewegung angeschlossen hatte, und besagte Morwena, die sich anscheinend einen Rest ihrer Bodenständigkeit und Würde bewahrt hatte und zu einer seriösen Devisenhändlerin der Bank von Antarktia mutierte.

Bei MagicDreams waren die Veränderungen überwiegend äußerer Natur, während sich geistig bei ihr scheinbar wenig änderte. Während der späteren Befragung gab sie meist wirre Antworten, konnte sich nicht erklären, wie und wann sie sich in einen fliegenden Fledermauspingu mit Pickelhaube verwandelt hatte und bat schließlich darum, sie in dem Zustand zu belassen. Ein Wunsch, den ihr später die Heiler nach eingehenden Beratungen aus Rücksicht auf ihr fortgeschrittenes Alter auch gewährten.

Sie merken schon an den zunehmend lapidarer werdenden Schilderungen des Rabenpost-Reporters, daß Entsetzen im Übermaß beim Menschen zur allmählichen Abstumpfung führt. Wie sonst wären solche Bilder zu ertragen?
Grauenvoll, nicht wahr? Angeblich hatte Yksi das Teil auch noch selbst gestrickt, jedoch man hörte den ganzen Tag einen Schüler über die Elfen schimpfen, weil eine seiner Flauschsocken nicht aus der Wäsche zurückgekommen war.

Als schließlich selbst wichtige Funktionsträger Ravenclaws der Epidemie zum Opfer fielen und VS Caxirta sich dem Haus als pinguinische Haremsdame präsentierte, sah sich die Hausleitung gezwungen, das Ministerium zu informieren. Zum Glück für Caxirta, die zunehmend Neidattacken seitens ihrer normal gebliebenen Mitschülern ausgesetzt war, die wegen des permanent durch den Turm wabernden Fischgestanks Caxis Gesichtsvorhang als Mundschutz zweckentfremden wollten.

Schlimmer noch als die olfaktorischen Qualen gestaltete sich kurz vor dem Untergang Ravenclaws der Anblick Paulines, die sich altersentsprechend in einen quietschigen Ken-und-Barbie-Pingu verwandelt hatte und im Gemeinschaftsraum stolz einen angeblich mit Enna und den übrigen verstrahlten Pingus einstudierten Watschelpinguwatscheltanz ankündigte.

Dann endlich traf die Rettung ein. Gefrierschockzauber ließen die Pinguinklone zu physisch und psychisch stabilisierenden, naturbelassenen Eisblöcken erstarren und wurden erst einmal beiseite geschoben, damit die Heiler sich um die geistig normal gebliebenen Schüler kümmern und ihnen Trost und kräftigende Cognacs spenden konnten, wobei es einige Ravenclaws nicht lassen konnten, in jugendlichem Unverstand hinter den Rücken der Heiler an den geschockten Pingus herumzuklopfen, um die medizinalen Alkoholika mit den anfallenden Eissplittern drinkgerecht zu temperieren.
Die dem Pinguwahn verfallenen Ravenclaws wurden in Absprache mit der Hausleitung anschließend ins St. Mungo gebracht, wo sich die Heiler darum mühten, den verirrten Schülern zu ihrem früheren Zustand zu verhelfen und natürlich auch, um die Hintergründe und Ursachen der Epidemie zu erforschen.


Lesen Sie dazu auch bitte das Interview mit einem Heiler des St. Mungo-Hospitals

Detritus