Dicke Dinger


Es ist unverkennbar Oktober, denn man sieht sie wieder in jedem Lebensmittelladen, an jeder Ecke auf dem Markt. Große, lange, grüne, runde, gelbe, rote und krumme: Kürbisse. Und somit ist auch wieder Zeit für den alljährlichen Kürbisartikel. Doch diesmal geht es nicht um ein exotisches Pfannengericht aus Kürbistan, die umsichgreifende Adaption westlicher Kultur bei chinesischen Kindern durch von-Haus-zu-Haus-gehen einschließlich ‚Tlick ol Tleat' oder die neuesten Designerkürbisse aus Mailand. Nein, diesmal berichten wir über wahre Riesen aus dem Pflanzenreich, Wuchtbrummer in Rot im Kampf der Giganten: High-end-Kürbisse.

Wie alles anfing

In den 70er Jahren begann in den USA der Farmer Howard Dill aus einer Laune heraus Kürbisse gezielt nach Größe und Gewicht zu selektieren und nach und nach immer größere Exemplare zu züchten. Bald schon fanden sich Nachahmer und die ersten Wettbewerbe wurden veranstaltet. Mit der Zeit gelang es Dill, der für Kürbisse ein ziemlich geschicktes Händchen zu haben schien, eine Kürbissorte heranzuziehen, die besonders große Exemplare garantiert. Diese Kürbissorte, die unter dem Namen, nein, nicht Dillkraut, ‚Dill's Atlantic Giant' aus der Gattung Cucurbita maxima berühmt wurde, ist heute die Mutter aller Kürbisse. Praktisch alle Riesenkürbisse, die bei Wettkämpfen in aller Welt gegeneinander antreten, sind, wenn auch in zahllosen Variationen, Abkömmlinge der Großen Dill.
Wie alles aus den USA, schwappte natürlich auch die Kürbiszuchtmanie irgendwann nach Europa über und fand hier begeisterte, wenn auch nicht ganz so erfolgreiche Nachahmer. Der Kürbisrekord europäischer Wettkampfzüchter liegt zur Zeit bei 559kg für einen Kürbis aus Deutschland. Die Schweiz hat einen Kürbis von 468kg hervorgebracht und Österreich es immerhin noch auf 372kg geschafft. Der schwerste Kürbis überhaupt kommt natürlich aus dem Land, wo alles größer und am größten ist. Ron Wallace aus Rhode Island/ USA hält den Weltrekord mit einem Kürbisgewicht von 681kg. Ob man jetzt Zusammenhänge sehen will zwischen geographischer Ausdehnung, weltpolitischer Bedeutung und der Größe landeseigener Kürbisse, mag jedem selbst überlassen bleiben.

Riesenkürbisse züchten

Man braucht kein Landwirt oder ausgebildeter Gärtner zu sein. Nein, Riesenkürbisse ziehen kann jeder. Alles, was Sie brauchen, ist ein sonniges Stückchen Garten oder eine Anbaukiste auf dem Balkon. Im Handel bekommen Sie verschiedenes Saatgut, kaufen Sie aber am besten nur welches der Sorte ‚Atlantic Giant'. Erfahrene Wettkampfzüchter nehmen sogar nur Saatkörner aus angesehenen Kürbisfamilien, wo schon die Eltern und Großeltern sich durch ansehnliche Größe und Gewicht von der gewöhnlichen Masse abgehoben haben. Abkömmlinge von Kürbissen mit Pedigree wie ‚Sodonia von den Auen' oder ‚Harko der Bitzler von Meiingen' haben schließlich eine weit größere Aussicht, bei Wettbewerben zu reüssieren, als irgendwelches Körnerkroppzeug aus dem Gartenbaumarkt.

Kürbisse lieben es warm und sonnig und sind sehr frostempfindlich. Am besten ziehen Sie daher den Keimling in einem Blumentopf an einem geeigneten Platz im Haus vor. Aussaat ist Mitte bis Ende April. Sobald sich im Blumentopf nach ein paar Tagen die ersten Blätter zeigen und die Außentemperaturen es erlauben, wird der Keimling nach draußen verpflanzt. Möchten Sie mangels Garten Ihren Kürbis auf dem Balkon hochziehen, sollten Sie bedenken, daß ein ausgewachsener Riesenkürbis mehr Gewicht auf die Waage bringen kann als ein ganzes Damenkaffeekränzchen, was etwas heißen will. Es wurde von einem Fall in Gladstone/Michigan berichtet, wo ein Kürbis einen Balkon einstürzen ließ, anschließend die Straße hinunterkullerte und, nachdem er zwei Passanten und mehrere Hunde überrollt hatte, schließlich im Schaufenster des örtlichen Toyotahändlers zum Stehen kam. Also, konsultieren Sie lieber Ihren Architekten, bevor Sie sich an die Zucht von Riesenkürbissen auf freistehenden Hausteilen wagen.

Ist der Setzling an seinem Bestimmungsort eingepflanzt, muß er ausreichend gedüngt und vor allem ordentlich gegossen werden. Bedenken Sie, Kürbisse können mehrere Kilo am Tag zulegen. Ein Verhalten, daß manchem vielversprechenden Exemplar schon den Garaus gemacht hat, weil es so schnell an Umfang und Masse zugenommen hat, bis es schlicht und einfach geplatzt ist. Ende September, Anfang Oktober ist Ernte und somit Zeit zu überlegen, was Sie mit Ihrem Prachtkürbis anfangen möchten. Wollen Sie an einem der lokalen Wettbewerbe teilnehmen, rufen Sie zwecks Abtransport ein paar Nachbarn zu Hilfe und heben gemeinsam den Kürbis vorsichtig auf einen Wagen oder eine fahrbare Unterlage. Bei besonders schweren Exemplaren empfiehlt sich der Einsatz eines kleinen Krans.

Haben Sie aber nicht die Absicht, bei einer Kürbismeisterschaft mitzumachen oder sind der Meinung, daß bei der erreichten Größe eine Teilnahme nicht lohnt, nun, dann verwenden Sie den Kürbis doch für Ihr eigenes Halloween. Ein im Dunkel rotglühendes Riesengesicht ist eine Zierde für jeden Herbst- und Wintergarten. Andere Züchter wiederum kochen aus ihrem Prachtstück Kürbismarmelade für das ganze Jahr und die ganze Verwandtschaft, was spätestens nach dem vierten Mal, wenn Sie Ihren Gästen die Taschen wieder mit Einmachgläsern vollgestopft haben, die Spreu vom familiären Weizen trennt. Besonders stattliche Kürbisse werden auch gerne als kleines Gartenhaus für die Kinder hergerichtet oder an Studenten vermietet. Und ist im Mietvertrag auch noch freie Kost vereinbart, bringt Ihnen das nicht nur einen höheren Mietzins, sondern erspart Ihnen sogar noch die Arbeit des Aushöhlens. Sie sehen, Riesenkürbisse züchten ist ein sehr interessantes, spannendes und lohnendes Hobby. Wenn Sie auf den Geschmack gekommen und das Kürbisfieber auch Sie gepackt hat, nur zu, es macht Spaß und vielleicht steht schon bald auch Ihr Name in den Rekordlisten.

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