Die Rabenpost - 17. Ausgabe

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Die Wortlosen

Sie mochte den Herbst.
Wenn der Wind an ihren Blättern riss und ihre Äste sich gegen ihn stemmen mussten, wenn er sie von der Last der Blätter befreite und sie in dieser wilden Zeit zwischen dem zu heißen Sommer und dem zu kalten Winter gegen ihn kämpfen konnte, fühlte sie sich frei. Es war nicht mehr so langweilig, fest verwurzelt, an einen Fleck gebunden zu sein. Sie konnte all das für kurze Zeit vergessen und nur sich selbst und den Sturm wahrnehmen.

Natürlich mochte die Weide auch die anderen Jahreszeiten.
Den Winter, der sie unter einer dicken Schneedecke begrub, ihr Zeit gab, Kräfte zu sammeln für den Neubeginn, das Austreiben, Wachsen.
Im Frühjahr setzte sie diese Kraft um, wurde voll und ganz von Knospen, Blüten, Kätzchen in Anspruch genommen. Gelegentlich konnte sie ihre Launen an unvorsichtigen Vögeln auslassen, die versuchten Nester in ihren Zweigen zu bauen. Auch den Sommer mochte sie irgendwie, mit seiner Hitze, in der sie faul die Zweige hängen ließ und sich ein wenig langweilte, ab und zu von einem Sommerregen ein wenig abgekühlt wurde und gelegentlich einen aufdringlichen Schwarm Mücken verscheuchte.

Aber dennoch war ihr der Herbst am liebsten. Er war so vielschichtig...
Manchmal musste sie gegen den Sturm bestehen, der sie mitleidlos forderte, an ihr zerrte.
Dann wieder durchnässte unaufhörlicher Regen, mal stärker, mal schwächer, das Erdreich um ihre Wurzeln, drohte sie regelrecht zu ertränken.
Doch am angenehmsten war der Nebel, der sie in eine sanfte Decke hüllte. Die feuchte Luft kitzelte sie ein wenig, aber sie war angenehm auf ihrer Rinde.
Sie war nicht schmerzhaft wie die Berührungen von anderen Lebewesen, verursachte nicht dieses unangenehme Prickeln, das sie bei Regen und Hagel empfand, aber auch nicht das dumpfe Gefühl, das Schnee in ihr auslöste. Er war einfach da, weich, kühl, sanft. Hüllte sie ein und berührte sie doch nicht.

Sie wusste nicht, woher der Nebel kam, dass er vom See her aufstieg, vom See, in dem ein anderes Wesen wohnte. Ein Wesen, das ebenso wenig eine Stimme hatte wie sie, aber dennoch eine andere Meinung.

Er mochte den Herbst nicht.
Wenn heftige Regenfälle das Wasser aufpeitschten, wurde er immer unruhig. Viele Jahre hatte er schon kommen und gehen sehen und doch war ihm der Herbst immer noch nicht gewöhnt.

Im Winter, wenn er unter einer dicken Eisschicht eingeschlossen wurde und fast völlig in eine Starre verfiel, zehrte der alte Krake von seinen Vorräten und ließ Erinnerungen wieder aufleben, an die Tage, als noch Gryffindor und Slytherin am Seeufer spazieren gingen und sich stritten.
Im Frühjahr freute er sich, wieder Luft um seine Fangarme streichen zu spüren, die Schüler beobachten zu können, die jedes Jahr aufs Neue das frische grüne Wachstum bestaunten. Es war Jahr für Jahr befreiend und irgendwie unwirklich, zu erleben, dass es doch wieder mehr gab als nur den See und seine Bewohner.
Im Sommer konnte er faul an der Seeoberfläche paddeln, das warme Wasser genießen und sich einfach wohl fühlen, entspannt, sorgenfrei.

Im Herbst jedoch war es unangenehm, im See zu leben. Es war gefährlich, wenn Stürme tobten und Kinder aus den Booten fallen konnten.
Der See wurde von Tag zu Tag unruhiger und der Krake mit ihm. Regen ließ den Wasserstand steigen, schwemmte Schlamm ein und verunreinigte sein Heim.
Und auch der Nebel, er kam und nahm ihm die Sicht, schnitt ihn von der Welt ab, auf unangenehmere Weise als das Eis im Winter. Es war so ein dumpfes Gefühl, er fühlte sich eingesperrt, ausgeschlossen. Der Nebel blockierte alles...

Den Nebel jedoch kümmerte nicht, ob die Weide ihn mochte, der Krake in verabscheute.
Er zog weiter, verließ den See und machte sich gemächlich, aber beständig auf den Weg ins Hochland.
Seine Schwadenfinger glitten behutsam tastend über das Land, hüllten es in einem Mantel aus Schweigen, bedeckten es sanft, brachten es zur Ruhe.
Er schlich weiter und bereitete das Land und seine Bewohner langsam, vorsichtig auf den kommenden Schnee vor. Denn so sicher, wie der Sommer sein Ende im Herbst fand, so sicher wurde dieser und mit ihm der Novembernebel vom Winter abgelöst.
Khana (Redakteurin)

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